Nur noch Zeitung machen, reicht nicht mehr!

Digitalisierung und sich ändernde Anforderungen von Leser:innen und Werbekunden hinterlassen deutliche Spuren in den traditionellen Geschäftsmodellen von Zeitungsverlagen. Höchste Zeit also, sich über ergänzende Alternativen Gedanken zu machen.

Die Zeitungsverlage betreiben derzeit sichtbar großen Aufwand, um das Kerngeschäft zu entwickeln und das Produkt nachhaltig als reichweitenstarken Werbeträger zu positionieren. Das zeigt sich etwa bei der Gestaltung von E-Papern und der Vermarktung von crossmedialen Angeboten.

Aber darüber hinaus wollen wir in dieser Newsletter-Ausgabe weitere Möglichkeiten skizzieren, die sicherlich nicht für jede Verlagsgröße geeignet sind und auch nicht zu jeder Struktur oder dem Markt eines jeden Medienhauses passen. Dennoch hoffen wir, damit zu inspirieren und eine Diskussionsgrundlage zu schaffen.

Warum nicht Dienstleister für Data Mining?

In unserer März-Ausgabe haben wir das Thema „Programmatic Advertising“ behandelt und darauf hingewiesen, dass die Cookie-basierte Datensammlung schwieriger werden könnte, wenn Third-Party-Cookies zukünftig nicht mehr eingesetzt werden können. Das kann eine spannende Option für die Verlagsportale sein, denn die Verlage verfügen über eine direkte Beziehung zu ihrer Leserschaft. Die eigens gesammelten Daten können, wenn man sie richtig einsetzt, zukünftig ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein – vor allem, weil es nicht mehr nur um quantitative Reichweite gehen wird, sondern die Qualität der Kontakte in den Vordergrund rückt. Dazu braucht es in den Medienunternehmen eine Datenanalyse-Kompetenz und Menschen, die sich mit der Definition von Zielgruppensegmenten beschäftigen. In dieser Entwicklung stecken zwei Chancen für die Verlage: Einerseits eine vermarktbare Kompetenz und andererseits eine Abkehr der Verkaufsargumentation über die reine Reichweite, die im Zuge von sinkenden Auflagenzahlen ohnehin immer schwieriger wird.

Plattform für Veranstaltungen

„Sind wir doch schon“ – sagen jetzt bestimmt viele. Und ja, das ist richtig. Verlage waren schon immer Veranstalter von Leserreisen und dienten auch zunehmend als (Mit-)Veranstalter von Immo- oder Automessen bis hin zu Job- und Partnerbörsen. 

Doch warum sollten sie diese Kompetenz nicht ausbauen? Etwa mit gezielten Eventangeboten für jüngere Zielgruppen, um sie schon viel früher an die Medienmarke heranzuführen? Die örtlichen Kreditinstitute machen es uns mit ihren Clubs und einer starken Emotionalisierung der Marke vor. Die Zeitungsmarken genießen ein vergleichbares Vertrauen. Man denke beispielsweise an Eltern, die überlegen, ob sie ihren Kindern und Teenagern erlauben, auf die nächste Veranstaltung des Verlags zu gehen. Die Medienunternehmen hätten sogar die Chance, auf ihre Social-Media-Kanäle hinzuweisen und über geeigneten Content über die Veranstaltung Follower:innen zu generieren. Dadurch lässt sich eine Medienmarke emotional aufladen, wird erlebbar und ist nicht mehr nur ein abstraktes, vermeintlich konservatives Gebilde.

Wissenstransfer und Netzwerk-Plattform

Der klassische Journalismus genießt nicht nur eine hohe Glaubwürdigkeit, sondern Medienunternehmen haben Zugang zu den unterschiedlichsten Expert:innen. Große Unternehmen wie die ZEIT nutzen schon lange diese Möglichkeit, etwa, indem sie eigene Themengipfel veranstalten, zu Roundtables und Podiumsdiskussionen laden oder gar messeähnliche Veranstaltungen auf die Beine stellen. Warum also nicht diese Idee weiterspinnen und beispielsweise Schulungen und Kurse für bestimmte Themenbereiche im Verbreitungsgebiet anbieten? Einige Themen könnten sogar mit eigenen Ressourcen bespielt werden, wie zum Beispiel einem Marketing- oder Kommunikationsseminar für die örtlichen Gewerbetreibenden, oder einem Einführungskurs für Social Media. Für andere relevante Themen wäre es möglich, Expert:innen aus dem eigenen Netzwerk anzusprechen. Kooperationsvereinbarungen mit Bildungsträgern sind jederzeit möglich. Ein internationales Beispiel ist „The Economist“, der im Februar 2021 ein „Economist Education Program“ gestartet hat. Die Zielgruppe sind hochqualifizierte Führungskräfte, die Kurse zu Storytelling, Business Writing, aber auch „internationale Beziehungen“ belegen können, und – im Idealfall – anschließend zu einflussreichen Multiplikatoren für die Medienunternehmen werden.

Mehr Agentur wagen

Verlage müssen den Anspruch entwickeln, auf der Seite der Werbetreibenden noch mehr als Dienstleister und Problemlöser wahrgenommen zu werden. Das gelingt am ehesten, wenn die Medienunternehmen mehr als Agentur auftreten und von den Kunden auch so wahrgenommen werden. Es geht um die Lösung eines Kommunikationsproblems auf der Kundenseite, ganz im Sinne des bekannten 4-P-Ansatzes im Marketing (Product, Price, Placement und Promotion). In drei der vier Ps sind Kunden selbst Expert:innen und entscheiden (weitgehend) eigenständig über das Produkt, die Wahl der Vertriebskanäle und die preisliche Ausgestaltung. Aber bei der Kommunikation brauchen viele Hilfe. Diese Lücke schließen Agenturen, die eine hohe Dienstleistungs- und Beratungskompetenz besitzen. Für den Verlag bleibt dann oft nur noch, sich als geeigneter Werbeträger anzubieten, in der Hoffnung, dass in den Mediaplänen ausreichend Budget vorgesehen ist. Die Aufgabe bestünde darin, näher an die Kunden zu rücken und früher in die kommunikative Konzeption und Ausgestaltung eingebunden zu werden. Das Dilemma besteht sicherlich darin, eine Konkurrenz zu den bestehenden Agenturen aufzubauen und damit einen Konflikt zu entfachen. Mittlerweile haben aber auch einige Verlage bereits Agenturen außerhalb der Verlagsorganisation gegründet oder sich an Agenturen beteiligt.

Start-ups fördern

Viele junge Menschen träumen derzeit von der Selbstständigkeit. Zugegeben, das ist sicherlich ein etwas verklärter Blick auf die Realität der GenZ – etwa, wenn der Berufswunsch „Influencer:in“ lautet. Trotzdem haben viele Menschen interessante Ideen, die sie gerne umsetzen wollen. Gerade in der sogenannten Kreativindustrie werden viele innovative Ideen auf Basis von KI oder der Entwicklung von Apps umgesetzt. Start-ups in diesem Bereich zu fördern und zu begleiten sind keine abwegigen Gedanken und würden sehr gut zu einem Medienunternehmen passen. Viele notwendige Kompetenzen und Verbindungen wären vorhanden. Neben den direkten Effekten der Erschließung neuer Einnahmequellen steigert ein derartiges Engagement die Reputation und das Image der Marke in der Region – und vielleicht sogar darüber hinaus.

Und jetzt sind Sie dran!

Diese fünf genannten Beispiele beschreiben nur einige Ideen von wohl noch sehr viel mehr Möglichkeiten. Die meisten Verlage in Deutschland gestalten den Wandel bereits sehr aktiv mit, und so wird der ein oder andere bei der Lektüre sicher gesagt haben: „Das machen wir doch schon.“ Genau diese Reaktion möchten wir gleich nutzen – und laden Sie ein, an unserer Umfrage teilzunehmen. Damit helfen Sie uns, einen umfassenderen Überblick über die Aktivitäten in der Branche zu erlangen.

Hier geht es zur Umfrage

Bitte beantworten Sie unsere drei Fragen. Wir hoffen auf eine rege Teilnahme und viele spannende Ansätze. Die Ergebnisse kommunizieren wir bei ausreichender Beteiligung in einer unserer nächsten ZMG-Newsletter-Ausgaben. Danke für Ihre Unterstützung!